Meine Gedanken lassen mich schämen

Vor ein paar Tagen bin ich mit der S-Bahn Abends von München zurück nach Gauting gefahren. Zuerst war ich noch alleine in einem Viererabteil. Dann kam ein Geschäftsmann hinzu der aus seiner großen Tasche alle möglichen Dinge inklusive Laptop zerrte. Kurz später setzte sich noch ein ausländisch aussehender Mann zu uns in das Abteil. Er hatte eine nicht wirklich kleine aber auch nicht wirklich große Tasche bei sich die er stark umklammerte.

Und auf einmal waren meine Gedanken wie ferngesteuert. „Hilfe ein Ausländer. Was hat er in seiner Tasche? Warum umklammert er sie so fest? Ist eine Bombe in ihr?“ Ab diesem Moment hasste ich meine Gedanken. Haben Politik, Medien und Gesellschaft über mich gesiegt? Die langen Debatten über Terrorismus haben mich scheinbar auch geformt. Leider in eine falsche Richtung. Immer weiter fesselten mich die abstrusen Gedanken. Ich überlegte mir Fluchtpläne, fragte mich, wieso der Geschäftsmann den potentiellen Terroristen nicht bemerkte. Wer würde meine Bekannten informieren, wenn die S-Bahn in die Luft geht?

Dazwischen versuchte ich durchgehend meine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bekommen. Während der Terrorhysterie im November informierte ich mich viel. Weiß wie wahrscheinlich die Gefahr eines Terroranschlages ist. Rational denkend habe ich keine Angst. Aber in meinem Inneren ist diese Angst scheinbar doch vorhanden. Wieso sollte ich mir sonst solche verachtenden Gedanken machen?

Wieso verdächtigte ich eigentlich nur den anders aussehenden Mann? Wieso nicht den Geschäftsmann? Wieso überhaupt andere Menschen?

Ich schäme mich für meine Gedanken. Ich schäme mich dafür, dass ich auf diese Hysterie hereingefallen bin. Ich schäme mich ohne Grund alle Menschen die kein westliches Aussehen haben als potentielle Terroristen zu verurteilen.

Ich schäme mich.

Foto von mariachily


 

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